Manchmal nachts....

Manchmal nachts, wenn ich aufwache oder nicht schlafen kann - die Trennung ist in den letzten Wochen hinfällig geworden -, setzt mein Atmen aus. Ich drohe zu ersticken, spüre die Last der Schuld auf meiner Brust und weiß: Das ist das definitive Zeichen und die gerechte Strafe dafür, dass ich mich nicht an die Regeln gehalten habe, den Gesetzen der staatlich verordneten Vernunft nicht Folge geleistet habe.
Ich überlege, lasse den Tagesablauf noch einmal minutiös an mir vorüberziehen.
Da war nichts! Kein Mensch oder einem Menschen ähnliches Wesen in 2 Meter Nähe. Vielleicht mein Hund, ein  paar Bäume in frischem Frühlings-Grün, eine mit Wildblumen gemalte Wiese, ein Mountainbiker, der in der Ferne kurz zu sehen war... und diese Joggerin. Sie lief ein paar Meter an mir vorbei. Ihr Gesicht hinter dem Mundschutz sah ich nicht. Auch wandte sie, sobald sie mich erblickte, den Kopf zur Seite. Ich habe ihr nachgesehen... vielleicht etwas zu lange, mir vorgestellt, wie wohl das Unmögliche sei.
Nun liege ich hier in Schweiß gebadet, von innen verbrennend, den Feuern der Hölle ausgesetzt, bestraft wegen Missachtung der vorgeschrieben Sozialen Distanz.
Ich will, nein, ich muss raus! Muss in die Nacht. Durchatmen, den Himmel, den Mond, die sich davorschiebenden  Wolken sehen, meine Schritte spüren, den Hauch des Lebens in der Kühle der Aprilnacht als kleinen weißen Schleier sehen.
 Aber das wäre der sichere Tod!
Ich atme ruhig in die Hand, tief ein, tief aus und versichere mir, dass es keinen sichereren Ort auf der Welt gibt als die Einsamkeit und mein Bett.
Währenddessen flackern auf dem Bildschirm die Dokumentationen über alle möglichen Seuchen: Pest, Cholera, Pocken, Dengue, Ebola, Syphilis und ich frage mich, wieso es möglich ist, dass ich nach so vielen Jahren draußen, immer noch lebe.