Leitlinien für ein zukünftiges Zusammenleben
Die im Jahre 1530 von Erasmus von Rotterdam herausgegebene Schrift De civilitate morum puerilium hat bis heute aus unterschiedlichen Gründen durchschlagenden Erfolg: 130 Auflagen bis ins 18.Jahrhundert, unzählige Übersetzungen, Pflichtlektüre in Schulen und demnächst Leitlinie für ein risikoarmes Zusammenleben. Die ursprüngliche Widmung an einen Fürstensohn mag man als Anspielung an die losen Sitten der Herrschenden verstehen, der formulierte Erziehungsgedanke orientiert sich aber an der Vorstellung, dass die zivilisatorischen Grundstrukturen vom Adel auszugehen haben, sich nach und nach von der abendländischen über die restliche Kultur ausbreiten sollen. Das Fußvolk soll sich dem Ernst der Lage entsprechend verhalten.
Dass übermäßiges, ungezügeltes Schlemmen und die Tischsitten eine tragende Rolle in der Unterrichtung guter Manieren spielen, mag man als Zeichen von Verfallserscheinungen interpretieren, die eine satte Gesellschaft unweigerlich überkommen, die dominierende Aussage jedoch ist bestimmt von dem Wunsch, affektives Verhalten im Sinne einer funktionstüchtigen Gemeinschaft zu kontrollieren, ein Regelwerk aufzustellen, das nicht nur den Heranwachsenden in seinem hemmungslosen Verhalten kontrolliert, ihn aus dem pubertären Gehabe in das Stadium eines verantwortungsvollen, gesunden Erwachsensein leitet. Honi soit qui mal y pense!
Wer wagt auch in Frage zu stellen, dass an den Nasenlöchern kein Schleim sein soll, ein Bauer sich in Mütze und Rock schneuzen soll. Wie verwerflich die Hand zu nehmen und dann am Kleid abzustreichen. Edler wirkt es – man beachte die geschmackvolle Wortwahl - den Nasenschleim in ein Tuch aufzunehmen, möglichst mit abgewandtem Körper. Ahnte man nicht schon immer, dass weit aufgerissene Augen ein Zeichen von Stupidität sind, zu Starren ein Zeichen von Trägheit, zum Zorn geneigte all zu scharf blicken, der Blick von Schamlosen allzu lebhaft und beredt ist. Das Beste ist es einen ruhigen Geist und respektvolle Freundlichkeit zu zeigen. Nicht zufällig sagten die Alten, der Sitz der Seele sei in den Augen.
Ob die Blickkontakte aufgrund dieser Erkenntnis jenseits von Filmsequenzen zugenommen haben, bleibt fraglich? Bei der angesagten räumlichen Distanzierung (physical - social - distancing) eh ein Problem.
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